ELER-Projekt des Monats Mai

Jüdische Lebenswege im märkischen Sand: Kulturscheune erinnert auch an den Entertainer Hans Rosenthal und die Reformpädagogin Clara Grunwald

- Erschienen am 07.05.2015

Neuendorf im Sande - Das Brandenburger Landwirtschaftsministerium stellt regelmäßig ein Förderprojekt in den Mittelpunkt, das aus dem Agrarfonds ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes) unterstützt wird. Das Projekt des Monats Mai zeigt, wie im Landkreis Oder-Spree eine alte Scheune zum Kultur- und Erinnerungsort wurde.

Seit 2002 wohnt Familie Bischinger auf einem um 1880 errichteten Vierseitenhof in Neuendorf im Sande. Mit viel Tatkraft, aber auch dank der Unterstützung durch Fördermittel wurden einige Gebäude wieder hergerichtet.

2012/2013 wurde die alte Scheune mit Um- und Einbauten so verändert, dass hier auch Kulturveranstaltungen stattfinden können. Seitdem bereichern Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, eine Sommerakademie in Kunstdrucktechniken oder auch ein Weihnachtsmarkt das Gemeindeleben. Im angrenzenden Stallgebäude hat sich die Bühnen- und Kostümbildnerin Frauke Bischinger ein Atelier eingerichtet. Hier entstehen Bühnenbild- und Kostümentwürfe für die großen Stadttheater und für freie Theaterprojekte.

Zwischenstation in Neuendorf im Sande

Ein besonderes Anliegen der Hofeigentümer und ein Schwerpunkt im Programm ist die Auseinandersetzung mit dem Leben der jüdischen Bewohner  im ehemaligen Neuendorfer Gut.

Das im Juli 1932 gegründete Landwerk Neuendorf im Sande bei Fürstenwalde war eine jüdische soziale Einrichtung. Anfangs wurden zwei Ziele verfolgt. Erstens sollten Arbeitslose zu Landwirten und Gärtnern ausgebildet werden, um neue Berufschancen in Deutschland zu erhalten. Zweitens sollten vor allem junge Menschen auf die Auswanderung vorbereitet werden, um bei der Besiedlung und Kultivierung des Landes Palästina, dem heutigen Israel, mitzuhelfen. Die zentrale Leitung der jüdischen Gemeinden Deutschlands schuf beziehungsweise unterstütze ein ganzes Netz solcher Ausbildungslager. Etliche davon wurden in der Nähe Berlins eingerichtet. Im Landwerk Neuendorf, zu dem etwa 375 Hektar Land gehörten, lebten und arbeiteten Jugendliche und Erwachsene zwischen 16 und 40 Jahren, darunter auch einige Familien mit ihren Kleinkindern. Viele, die ihre Ausbildung abschließen konnten, gelang in den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung noch die Flucht aus Deutschland.

Im April 1943 waren noch etwa 80 Menschen im Lager Neuendorf. Die Jugendlichen wurden nach Auschwitz, die Älteren nach Theresienstadt gebracht.

Ende der Achtzigerjahre wurde im Ort begonnen, sich der jüdischen Geschichte anzunehmen. Zeitzeugen wurden eingeladen. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert leben viele dieser Zeitzeugen nicht mehr oder sind altersbedingt nicht mehr zu einer aktiven Erinnerungsarbeit in der Lage. Dementsprechend stellte sich die Frage nach geeigneten Formaten, wie mit den heute zugänglichen Zeitzeugnissen umgegangen werden kann.

Mit Lesungen und Ausstellungen wird die Erinnerung an jüdische Menschen wach gehalten, die in den Dreißigerjahren dem Naziterror entkommen wollten, auf der Flucht waren beziehungsweise sich in Neuendorf auf die Auswanderung nach Palästina oder auch in andere Exilländer vorbereiteten.

Eine in den Monaten Mai bis Juni jährlich wiederkehrende Dauerausstellung erinnert an diese jüdischen Schicksale anhand einzelner Biografien. Zu nennen sind etwa die Reformpädagogin Clara Grunwald (geboren 1877) oder der spätere TV-Entertainers Hans Rosenthal (1925 – 1987). Die Montessori verpflichtete Reformpädagogin Grunwald  hat im jüdischen Landwerk Neuendorf unterrichtet, bis sie 1943 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert wurde.

Zwei Grundschulen aus Berlin und Hangelsberg, die den Namen Clara Grunwald tragen, sowie das nahegelegene Oberstufenzentrum standen Pate bei der Ausstellungsentwicklung.

Erinnerung an ehemalige Bewohner des Gutshofs

Morgen (8. Mai) beteiligt sich die Scheune an der Langen Nacht der Museen in der Region Fürstenwalde. Der Schwedter Schauspieler Daniel Heinz liest aus "Sommer in Brandenburg", einem Liebesroman von Urs Faes über das Leben im jüdischen Landwerk Ahrensdorf  Ende der Vierzigerjahre. Die Scheune zeigt  Fotos von Herbert Sonnenfeld. Die Bilder des 1939 emigrierten Neuendorfers hat die Berliner Grafikerin Ines Ebel für räumliches Sehen aufbereitet.

Am 30. Juni ist ein Projekttag den Clara-Grunwald-Schulen Berlin und Hangelsberg geplant. In Erinnerung an Clara Grundwald ist am 29. August eine Lesung aus ihren mit der Schauspielerin Charlotte Sieglin im Programm.

Am 6. November werden neben den beiden Paten-Schulen und dem OSZ Palmnicken die Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche zu einem Berlin-Brandenburgischen Kooperationsprojekt zum Thema Lebenswege im jüdischen Landwerk Neuendorf zusammenkommen.

Förderung aus Mitteln für die ländliche Entwicklung

Mit Hilfe des Europäischen Landwirtschaftsfonds ELER konnte der Umbau der Scheune (durchgehender Boden, Rundbogentor, Galerie, Elektrik für Lichtkonzept) realisiert werden. Die förderfähigen Ausgaben lagen bei  60.945 Euro, wovon über ELER-Mittel 32.361 Euro und 8.090 Euro über Landesmittel gefördert wurden. Aus Eigenmitteln einschließlich Spenden wurden weitere 20.494 Euro eingesetzt.

ELER-Projekt des Monats Mai

Jüdische Lebenswege im märkischen Sand: Kulturscheune erinnert auch an den Entertainer Hans Rosenthal und die Reformpädagogin Clara Grunwald

- Erschienen am 07.05.2015

Neuendorf im Sande - Das Brandenburger Landwirtschaftsministerium stellt regelmäßig ein Förderprojekt in den Mittelpunkt, das aus dem Agrarfonds ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes) unterstützt wird. Das Projekt des Monats Mai zeigt, wie im Landkreis Oder-Spree eine alte Scheune zum Kultur- und Erinnerungsort wurde.

Seit 2002 wohnt Familie Bischinger auf einem um 1880 errichteten Vierseitenhof in Neuendorf im Sande. Mit viel Tatkraft, aber auch dank der Unterstützung durch Fördermittel wurden einige Gebäude wieder hergerichtet.

2012/2013 wurde die alte Scheune mit Um- und Einbauten so verändert, dass hier auch Kulturveranstaltungen stattfinden können. Seitdem bereichern Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, eine Sommerakademie in Kunstdrucktechniken oder auch ein Weihnachtsmarkt das Gemeindeleben. Im angrenzenden Stallgebäude hat sich die Bühnen- und Kostümbildnerin Frauke Bischinger ein Atelier eingerichtet. Hier entstehen Bühnenbild- und Kostümentwürfe für die großen Stadttheater und für freie Theaterprojekte.

Zwischenstation in Neuendorf im Sande

Ein besonderes Anliegen der Hofeigentümer und ein Schwerpunkt im Programm ist die Auseinandersetzung mit dem Leben der jüdischen Bewohner  im ehemaligen Neuendorfer Gut.

Das im Juli 1932 gegründete Landwerk Neuendorf im Sande bei Fürstenwalde war eine jüdische soziale Einrichtung. Anfangs wurden zwei Ziele verfolgt. Erstens sollten Arbeitslose zu Landwirten und Gärtnern ausgebildet werden, um neue Berufschancen in Deutschland zu erhalten. Zweitens sollten vor allem junge Menschen auf die Auswanderung vorbereitet werden, um bei der Besiedlung und Kultivierung des Landes Palästina, dem heutigen Israel, mitzuhelfen. Die zentrale Leitung der jüdischen Gemeinden Deutschlands schuf beziehungsweise unterstütze ein ganzes Netz solcher Ausbildungslager. Etliche davon wurden in der Nähe Berlins eingerichtet. Im Landwerk Neuendorf, zu dem etwa 375 Hektar Land gehörten, lebten und arbeiteten Jugendliche und Erwachsene zwischen 16 und 40 Jahren, darunter auch einige Familien mit ihren Kleinkindern. Viele, die ihre Ausbildung abschließen konnten, gelang in den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung noch die Flucht aus Deutschland.

Im April 1943 waren noch etwa 80 Menschen im Lager Neuendorf. Die Jugendlichen wurden nach Auschwitz, die Älteren nach Theresienstadt gebracht.

Ende der Achtzigerjahre wurde im Ort begonnen, sich der jüdischen Geschichte anzunehmen. Zeitzeugen wurden eingeladen. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert leben viele dieser Zeitzeugen nicht mehr oder sind altersbedingt nicht mehr zu einer aktiven Erinnerungsarbeit in der Lage. Dementsprechend stellte sich die Frage nach geeigneten Formaten, wie mit den heute zugänglichen Zeitzeugnissen umgegangen werden kann.

Mit Lesungen und Ausstellungen wird die Erinnerung an jüdische Menschen wach gehalten, die in den Dreißigerjahren dem Naziterror entkommen wollten, auf der Flucht waren beziehungsweise sich in Neuendorf auf die Auswanderung nach Palästina oder auch in andere Exilländer vorbereiteten.

Eine in den Monaten Mai bis Juni jährlich wiederkehrende Dauerausstellung erinnert an diese jüdischen Schicksale anhand einzelner Biografien. Zu nennen sind etwa die Reformpädagogin Clara Grunwald (geboren 1877) oder der spätere TV-Entertainers Hans Rosenthal (1925 – 1987). Die Montessori verpflichtete Reformpädagogin Grunwald  hat im jüdischen Landwerk Neuendorf unterrichtet, bis sie 1943 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert wurde.

Zwei Grundschulen aus Berlin und Hangelsberg, die den Namen Clara Grunwald tragen, sowie das nahegelegene Oberstufenzentrum standen Pate bei der Ausstellungsentwicklung.

Erinnerung an ehemalige Bewohner des Gutshofs

Morgen (8. Mai) beteiligt sich die Scheune an der Langen Nacht der Museen in der Region Fürstenwalde. Der Schwedter Schauspieler Daniel Heinz liest aus "Sommer in Brandenburg", einem Liebesroman von Urs Faes über das Leben im jüdischen Landwerk Ahrensdorf  Ende der Vierzigerjahre. Die Scheune zeigt  Fotos von Herbert Sonnenfeld. Die Bilder des 1939 emigrierten Neuendorfers hat die Berliner Grafikerin Ines Ebel für räumliches Sehen aufbereitet.

Am 30. Juni ist ein Projekttag den Clara-Grunwald-Schulen Berlin und Hangelsberg geplant. In Erinnerung an Clara Grundwald ist am 29. August eine Lesung aus ihren mit der Schauspielerin Charlotte Sieglin im Programm.

Am 6. November werden neben den beiden Paten-Schulen und dem OSZ Palmnicken die Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche zu einem Berlin-Brandenburgischen Kooperationsprojekt zum Thema Lebenswege im jüdischen Landwerk Neuendorf zusammenkommen.

Förderung aus Mitteln für die ländliche Entwicklung

Mit Hilfe des Europäischen Landwirtschaftsfonds ELER konnte der Umbau der Scheune (durchgehender Boden, Rundbogentor, Galerie, Elektrik für Lichtkonzept) realisiert werden. Die förderfähigen Ausgaben lagen bei  60.945 Euro, wovon über ELER-Mittel 32.361 Euro und 8.090 Euro über Landesmittel gefördert wurden. Aus Eigenmitteln einschließlich Spenden wurden weitere 20.494 Euro eingesetzt.